Die zunehmende soziale Ungleichheit in Deutschland im Kontext der Geldpolitik

_ Dr. Hendrik Hagedorn, Gastforscher, Institut für konservative Wirtschaftspolitik (IKW). Erstveröffentlichung im Magazin Krautzone. Berlin, 18.12.2025.

Deutschland durchläuft derzeit eine Phase wirtschaftlicher Stagnation und Rückgangs, die in den letzten Jahren durch schwaches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gekennzeichnet ist. Die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der vergangenen Regierungen haben zu einer Situation geführt, in der das Land als Sanierungsfall betrachtet werden kann. Es bleibt offen, ob Deutschland den Pfad in eine Phase wirtschaftlicher und kultureller Marginalisierung verlassen kann. Sicher ist jedoch, dass in dieser Phase des Niedergangs erhebliche soziale Verwerfungen entstehen, die bereits eingetreten sind, auch wenn offizielle Statistiken dies bisher nur begrenzt widerspiegeln. Dieser voranschreitende Niedergang ist zwangsläufig mit Wohlstandsverlusten verbunden, die insbesondere die materielle Ungleichheit in der Gesellschaft verstärken werden.

Ursachen der Ungleichheit durch Inflation und Vermögenspreisentwicklungen

Verschiedene Mechanismen tragen zu dieser Entwicklung bei, die seit längerer Zeit wirken, jedoch in der öffentlichen Diskussion wenig Beachtung finden. Zu Beginn des Ukrainekrieges, als die Preise stark anstiegen und zeitweise zweistellige Inflationsraten erreichten, wurde in den Medien zu Recht hervorgehoben, dass Preissteigerungen vor allem einkommensschwache Haushalte belasten, da diese einen größeren Anteil ihres Einkommens für Güter des täglichen Bedarfs ausgeben. Offizielle Statistiken unterschätzen dieses Problem jedoch erheblich, wie entsprechende Analysen gezeigt haben.

Unabhängig von Ungenauigkeiten in der Inflationsmessung verstärkt sich die Ungleichheit durch weitere Effekte. Seit etwa einem Jahrzehnt haben niedrige Zinsen und die damit verbundenen hohen Immobilienpreise dazu geführt, dass der Erwerb von Wohnungseigentum für Personen ohne Erbschaft kaum möglich ist, da die erforderliche Eigenleistung aus Erwerbseinkommen allein schwer zu erbringen ist. Zudem hat die expansive Geldpolitik zu starken Preissteigerungen an den Aktienmärkten geführt, die Kapitaleinkünfte begünstigen und mit Erwerbseinkünften nicht Schritt halten können. Besitzer von Vermögenswerten profitieren somit überproportional.

Zukünftige Verstärkung der Ungleichheit

Diese Effekte dürften in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Zum einen führt die abnehmende Produktion in Deutschland in allen Sektoren – Industrie, Landwirtschaft, Energie und Bau – zu realen Knappheiten und damit zu höheren Preisen. Zum anderen wird die Europäische Zentralbank (EZB) aufgrund der schwachen Wirtschaftsentwicklung in Europa, der angespannten Staatshaushalte und der moderat ausgewiesenen Inflation die Zinsen weiter senken und eine Ausweitung der Geldmenge ermöglichen oder fördern.

Dies verstärkt die Ungleichheit zusätzlich, unter anderem durch den Cantillon-Effekt, bei dem neu geschaffenes Geld nicht gleichmäßig in die Wirtschaft einfließt. Geldmengenausweitung erfolgt nie neutral, sondern tritt punktuell ein und erreicht bestimmte Akteure zuerst. Diese können Güter erwerben, bevor Preise ansteigen, und erzielen reale Vorteile. Kreditwürdige Akteure mit hohen Sicherheiten profitieren primär, was eine Umverteilung von unten nach oben bewirkt.

Der Coase-Effekt im Kontext der Geldschöpfung

Strukturell bedeutsamer ist ein Effekt, der auf den Erkenntnissen des Nobelpreisträgers Ronald Coase basiert, obwohl Coase selbst diese nicht auf die Geldpolitik anwandte. Coase zeigte, dass Märkte nur effizient funktionieren, wenn Eigentumsrechte klar definiert sind, Transaktionskosten null betragen und alle Teilnehmer vollständige Informationen haben. Mainstream-Ökonomen nehmen diese Bedingungen oft als gegeben an, doch in der Realität erfüllen sie sich nicht.

Die Geldschöpfung aus dem Nichts verletzt bereits die Eigentumsrechte bestehender Geldhalter durch schleichende Entwertung und das Risiko von Bankenstürmen. Zudem sind Transaktionskosten in der Ausbreitung neuen Geldes keineswegs null: Bei Kreditvergaben für Unternehmenskäufe profitieren Investmentbanken, Broker, Anwälte und Notare. Bei weiteren Investitionen der Verkäufer wiederholen sich diese Kosten. Bis das neue Geld marktgerecht verteilt ist, werden durch zahlreiche Transaktionen Teile abgezweigt, was zu Überschüssen im Finanzsektor führt und hohe Bonuszahlungen ermöglicht. Dieser Effekt treibt die Einkommensschere massiv auseinander und ist bisher wenig beachtet, dürfte jedoch der wirkmächtigste sein.

Bewertung sozialer Ungleichheit

Soziale Ungleichheit ist nicht grundsätzlich negativ; sie kann sogar positiv wirken, da die Aussicht auf hohe Gewinne durch Unternehmertum ein zentraler Anreiz marktwirtschaftlicher Systeme ist. Hohe Unternehmergewinne sind akzeptabel, solange sie nicht auf staatlich privilegierten Positionen beruhen, da sie durch Ausgaben oder Investitionen neue Chancen für andere schaffen. Nicht gerechtfertigt ist jedoch die Ungleichheit, die aus dem Fiatgeld-System entsteht. Die Geldmenge wächst seit Jahren nahezu exponentiell. Das Ausmaß der dadurch erzeugten Verwerfungen zeigt sich in der überproportionalen Zunahme von Einkommensmillionären und Vermögensmilliardären im Vergleich zu allgemeinen Preissteigerungen. Letztlich erzeugt der Staat durch sein Finanzsystem und die anhaltende Schuldendynamik genau jene Ungleichheiten, die er durch Sozialtransfers zu bekämpfen vorgibt. Die Arbeiten von Ronald Coase liefern den Schlüssel zum Verständnis dieses Phänomens, bleiben jedoch in der neoklassischen wie auch der österreichischen Schule weitgehend unbeachtet.

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